Interdisziplinärer Forschungsverbund „Religion und Konflikt“

Jahrestagung in der Akademie

Vom 16. bis 18. November 2007 trafen sich die Mitglieder des 2006 gegründeten interdisziplinären Forschungsverbundes „Religion und Konflikt“ zu ihrer ersten Jahrestagung in der Akademie.

Logo der Forschungsstätte FEST

Der auf Initiative der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) gegründete Forschungsverbund soll aktuelle Forschungsprojekte aus verschiedenen Fachbereichen wie der Theologie, den Sozialwissenschaften oder anderen Disziplinen mit der Friedens- und Konfliktforschung zusammenführen, wissenschaftlichen Austausch ermöglichen, Kooperationen anregen und die interdisziplinäre Vernetzung stärken.

Die Jahrestagung wurde ausgerichtet von der Evangelischen Akademie im Rheinland und der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST). Vorbereitet und moderiert wurde die Tagung von Studienleiter Jörgen Klußmann, an der Akademie u.a. für die Bereiche Friedensforschung und Konfliktbearbeitung verantwortlich, sowie Dr. Silvana Lindner und Dr. Markus Weingardt, Projektleiter für den Forschungsverbund bei der FEST.

„Die Ambivalenz der Religionen im Hinblick auf ihre Friedensfähigkeit erfährt in der Forschung endlich wachsende Aufmerksamkeit“, so Klußmann. Im Forschungsverbund gab es 2007 drei inhaltliche Schwerpunkte:

  • Friedensethische Grundlagen und die Rolle der Religion in Konflikten, gezeigt am Beispiel von Bosnien-Herzegowina
  • außerdem die innerislamischen Auseinandersetzungen mit terroristischer Gewalt
  • sowie die eskalierende und de-eskalierende Wirkung von Religion, analysiert anhand von Konflikten in Afrika südlich der Sahara.

Neben diesen Themenschwerpunkten wurden bei der Jahrestagung auch weitere derzeit laufende Forschungsprojekte vorgestellt:
Die Untersuchungen zum religiösen Zionismus in Israel referierte Dr. Claudia Baumgart von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), über das Projekt „Politische Gewalt und religiöse Konfliktinterpretation im Nahostkonflikt“ berichtete Kerstin Göller von der Universität Tübingen, Dr. Marcel Baumann und Dr. Leslie Tramontini vom Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung in Freiburg stellten ihr Untersuchungsfeld „Die Instrumentalisierung religiöser Symbole und interreligiöse Koexistenz im Libanonon“ vor.

Mehr zu den aktuellen Forschungsschwerpunkten:

1. Friedensethische Grundlagen

Beobachtungen haben gezeigt, das in Konfliktszenarien der jüngeren Zeit , wie z.B. den Auseinandersetzungen in Bosnien, Libanon, Palästina, Kashmir, Sudan sind nicht selten Akteure verschiedener Religionen selbst eskalierend beteiligt sind. Zugleich sind in vielen dieser Konflikte ebenso religiöse Friedenstifter aktiv. Der Religionssoziologie Professor Dr. Dr. Heinrich Schäfer von der Universität Bielefeld hat dazu ein Forschungsprojekt initiiert. Es konzentriert sich dabei auf Akteure der drei nach ihrem gemeinsamen Stammvater benannten abrahamitischen Religionen, auf Judentum, Christentum und Islam. Untersucht wird die Frage, ob sich religionsübergreifend ähnliche Dispositionen und biografische Strukturen finden lassen und welche dies sind. Dabei wird beispielhaft die Region Bosnien-Herzegowina analysiert. In einem späteren Schritt soll untersucht werden, wie die beobachteten Ähnlichkeiten und Differenzen für das Handeln friedensfördernder Organisationen nutzbar gemacht werden können.

2. Islam und Gewalt 

Der Themenbereich „Islam und Gewalt“ will einen Beitrag zum Verständnis innerislamischen Auseinandersetzung mit terroristischer Gewalt, zum Verständnis friedensethischer Fragestellungen und ihrer Bearbeitung im Islam leisten.
Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist die Weltöffentlichkeit auf das Phänomen terroristischer Gewalt aufmerksam geworden, die sich unter Rückgriff auf die Religion des Islam zu legitimieren versucht. Vielfach wird auf Seiten der „Jihadisten“ eine islamisch-theologische bzw. -rechtliche Begründung dafür als nötig erachtet und auch präsentiert, dass solche Gewaltanwendung von Gott her erlaubt oder sogar geboten sei. Gleichzeitig gibt es bei der Vielzahl muslimischer Stimmen, die die Anwendung terroristischer Gewalt ablehnen, ebenfalls islamisch-theologische bzw. rechtliche Argumentationsgänge, in denen das Verbot solcher Gewalt von Gott her begründet wird. In dem hier vorgestellten Projekt wird die innerislamische Debatte um die theologische/islamisch-rechtliche Legitimität von Gewaltanwendung analysiert. Bernd Mussinghoff vom Institut für Theologie und Frieden, Hamburg, und Kerstin Göller von der Universität Tübingen referierten den Stand der  Forschungsergebnisse.

3. Afrika

Im Fokus des aktuellen Pilotprojektes des Forschungsverbundes steht die eskalierende und de-eskalierende Wirkung von Religion in Konflikten, untersucht am Beispiel der Gebiete Afrikas südlich der Sahara (subsaharisches Afrika).

Angesichts der anscheinend steigenden Anzahl religiös motivierter Gewaltakteure weltweit wächst die Besorgnis, dass Religionen in undurchschaubarer Weise eskalierend wirken. Darüber gerät bisweilen das Friedens- und Deeskalationspotential in den Hintergrund, das von religiösen Überzeugungen, Wertvorstellungen und religiös motivierten Vermittlungsbemühungen ausgeht. Angesichts dieser Ambivalenz der Auswirkungen von Religion auf Konflikte stellt sich eine zentrale Forschungsfrage: Unter welchen Bedingungen tragen welche religiöse Strukturen, Motive, Situationsdeutungen und Handlungen zu dem Ausbruch, der Eskalation oder aber der Prävention bzw. der Entschärfung von Gewaltkonflikten bei? Die auf der Tagung vorgestellte Pilotstudie bereitet ein Forschungsvorhaben größeren Umfangs vor. Forschungsleiter dieses Pilotprojektes ist  Dr. Matthias Basedau vom German Institut of Global and Area Studies (GIGA), Institut für Afrika-Studien, Hamburg.

Das ausführliche Tagungsprogramm finden Sie hier zum Download.

Interdisziplinärer Forschungsverbund „Religion und Konflikt“