Khorchide: Islam und Moderne müssen keine Gegensätze sein

epd-West , Landesdienst, 18.05.2018

Essen (epd). Islam und Moderne müssen nach Ansicht des Münsteraner Islamwissenschaftlers Mouhanad Khorchide keine Gegensätze sein.

Anders als häufig behauptet, gebe es schon in der klassischen islamischen Theologie verschiedene Ansätze für die Freiheit des Menschen, erklärte Khorchide am Donnerstagabend in Essen bei einem Symposium zum Thema. Auf dieser Grundlage sei es sein Wunsch, „den Islam in die Moderne einzubringen und nicht die Moderne in den Islam“, sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster.

Khorchide kritisierte einen starken Absolutheitsanspruch des Islam weltweit, der anderen Strömungen oder Religionen das Recht auf eine eigene Wahrheit in ihrem jeweiligen Glauben abspricht. „Das liefert Gruppen wie dem IS oder anderen die Grundlage für Gewalt“, sagte der Vorsitzende des 2015 gegründeten und dem liberalen Islam zugerechneten Muslimischen Forums Deutschland (MFD). Gleichzeitig beobachte er eine starke Neigung zu einer „Verrechtlichung“ des Islams auf Kosten echter Spiritualität, etwa in Bezug auf die Einhaltung von Regeln bei Kleidung, Gebet oder Lebensstil.

Khorchide forderte, Barmherzigkeit und Liebe stärker in den Blick zu nehmen. „Wir sind die Hände Gottes und seine Partner“, betonte Reformtheologe, selbst sunnitischer Muslim. „Wenn wir zum Beispiel nicht selbst etwas gegen den Hunger tun, dann hört er nicht auf.“

Sowohl historisch als auch aktuell sieht Khorchide eine Wechselwirkung zwischen dem Islam und der jeweiligen politischen Struktur. „Er wurde von Anfang an stark politisch instrumentalisiert“, sagte der Wissenschafter. Grundsätzlich liefere ein „monologisches Gottesbild“ mit Gott als absoluter Autorität „die ideologische Unterfütterung eines diktatorischen Staates“. Demgegenüber gehe ein „dialogisches Gottesbild“ von der Freiheit, Individualität und Selbstbestimmung des Menschen aus. In Saudi-Arabien etwa sei derzeit von Seiten der Politik eine gewisse Öffnung zu beobachten.

Das Symposium wurde gemeinsam von der Evangelischen Akademie im Rheinland, dem MFD und dem Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) Essen veranstaltet. Anliegen der drei Veranstalter war es, angesichts der zunehmenden Migration von Muslimen nach Deutschland „neue Konzepte und Kompromisse im Verhältnis zwischen ‚religiös‘ und ‚weltlich‘ zu wagen“, wie es hieß.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) West, 18.05.2018
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des epd-West