Lehrer spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Prävention von Salafismus

Christlich-Islamischer Dialog

„Um die Entstehung des Salafismus besser zu verstehen, ist es notwendig, sich mit der Geschichte des Islam zu befassen. Nur so erschließt sich, warum sich ein Teil der Muslime im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte immer mehr radikalisierten.“

Das ist die feste Überzeugung von Studienleiter Jörgen Klußmann. Deshalb hat ist er der Einladung des Landesverbandes „Lehrer NRW“   gerne gefolgt und hat von November 2016 bis Mai 2017 in Düsseldorf ein Seminar vor allem für Lehrer und Lehrerinnen der Sekundarstufe zum Islam durchgeführt. In drei Modulen wurden die Entstehung und der Aufstieg (7.-9. Jahrhundert), die Blüte und der Niedergang (10.-13. Jahrhundert) bis zur heutigen Herausforderung durch den Salafismus behandelt.

Der vertiefte Einblick in die Geschichte des Islam und die Informationen über die heutigen Entwicklungen sollten Lehrerinnen und Lehrer als wichtigen Multiplikatoren fundierte Argumente für den Dialog mit Schülerinnen und Schülern an die Hand geben. Denn Lehrer spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Prävention von Salafismus.

Der reitende Prophet Mohammed. Gemälde: Wikimedia Commons

Ausbreitung und Blüte des Islams
Die Teilnehmer erfuhren die historischen Umstände, in denen der Islam in Mekka im heutigen Saudi-Arabien Anfang des 7. Jahrhundert entwickelte und sich innerhalb von nur 100 Jahren bis nach Marokko und Spanien im Westen und im Osten bis nach Indien ausbreitete. Im 12. Jahrhundert, zur Zeit seiner größten Blüte, begannen bereits die Auseinandersetzungen mit den Reitervölkern Asiens. Die Mongolen zerstörten im 13. Jahrhundert Bagdad, das Zentrum der islamischen Welt, und bereiteten dem Kalifat der Abbasiden ein Ende.

Niedergang  und Neuausrichtung des Islams
Der Schock saß tief, weil man die Niederlage gegen die Mongolen mit der angeblichen Dekadenz und mangelnden Sittenstrenge der Muslime erklärte und als Strafe Gottes deutete: In der Folge kehrte man zurück
zu einer strengeren Auslegung des Korans und versuchte sich immer mehr am Beispiel des Propheten zu orientieren. Die Sunna, die Überlieferung vom Leben des Propheten und seiner Gefährten, brachte zahlreiche Texte (auf Arabisch „Hadithe“) hervor, deren Glaubwürdigkeit jedoch nicht immer gewährleistet ist. Ungeachtet dessen wurde sie aber immer mehr zur Richtschnur für das Handeln von Gläubigen und zur Grundlage des islamischen Rechts – der Scharia.

Ab dem 18. Jahrhundert wurde die Scharia insbesondere in Arabien von der strengsten, der hanbalitischen Rechtsschule dominiert. Ein besonders strenger Gelehrter dieser Schule, Muhammad ibn ʿAbd al-Wahhāb, wurde zum Gründer einer ursprünglich als besonders radikale eingeschätzten Sekte, den Wahhabiten, die sogar das Grab des Propheten zerstörten, weil sie den Kult darum für unerlaubten Götzenanbetung hielten. Die Wahhabiten gelten gemeinsam mit den Muslimbrüdern in Ägypten  als die geistigen „Väter“ der heutigen Salafisten.

Seite aus dem Koran. Foto: Pixabay

Woher kommt der Begriff Salafismus?
Ursprünglich bedeutete der Begriff Salafiyya sich am „Beispiel der Alten“ zu orientieren. Reformer wie Muḥammad Rašīd ibn ʿAlī Riḍā (1865-1935), einer der einflussreichsten Reformisten Anfang des 20. Jahrhunderts, versuchten zu Beginn noch eine Versöhnung des Islam mit der Moderne. Als der wohl bedeutendste Schüler von Muhammed `Abduh (1849-1905), der im republikanischen Frankreich nicht nur den technischen Fortschritt bewunderte, sondern auch dessen Gesetze als gerecht und gemäß der Scharia bezeichnete, führte Rida die islamische Reformbewegung weiter und gab ihr eine neue Richtung. Als Intellektueller, der die Bewahrung der eigenen islamischen Identität befürwortete und zugleich den technisch-philosophisch-politischen Fortschritt vorantreiben wollte, trat er auch für die Demokratie ein.

Die gegenwärtige salafistische Szene
Doch es waren letztlich waren es Figuren wie Hassan al-Banna, der Gründer der Muslim-Bruderschaft, und Sayyid Qutb, ein Dichter und Denker der 50-60er Jahre des 20. Jahrhunderts, die sich vom Westen distanzierten. Grund war zunächst der Kolonialismus und nach der Entlassung in die Unabhängigkeit die andauernde Einmischung in die internen Angelegenheiten der unabhängigen arabischen Nationen. Die  Suez-Krise, der Sechs-Tage-Krieg vom 5. Juni 1967 bis 10. Juni 1967, aber auch die Golfkriege zeugen davon.

Die streng wahhabitische Mission und die Propaganda des radikalen Flügels der Muslim-Brüder haben zusammen die Grundlage für die heutigen Salafisten geschaffen, die sich als absolutistische, anti-demokratische Bewegung verstehen und die sich in drei Richtungen einteilen lassen:

Die traditionalistischen Salafisten
Sie sind gegen Gewalt und Politik, sind aber der Auffassung, dass allein ein Gottesstaat, in dem die Scharia, das göttliche Gesetz befolgt wird, ein gerechter Staat sein kann.

Die aktionistischen Salafisten
Für sie ist Gewalt die ultima ratio. Auch sie lehnen Demokratie ab und wollen den Gottesstaat. Sie werden z.B. in Sommercamps rekrutiert. Sie engagieren sich in „gemeinnützigen“ Organisationen zur Unterstützung notleidender Muslime.

Die dschihadistischen Salafisten
Sie halten Gewalt und Terror im Kampf gegen die „Ungläubigen“ für legitim und werden häufig in Moschee-Gemeinden oder durch private Begegnungen oder sogar durch Internet-Propaganda radikalisiert und rekrutiert. Die meisten dschihadistischen Salafisten ziehen früher oder später in den Kampf nach Syrien oder in den Irak.

Symbol Islam. Wikipedia commons.

Radikalisierungstendenzen unter Jugendlichen
Der Islamwissenschaftler Elhakam Sukhni von der Organisation „Wegweiser“ , einer vom Land NRW finanzierten Initiative zur Prävention von Salafismus, ergänzte die Ausführungen von Jörgen Klußmann mit einem Überblick über die deutsche Salafistenszene. Besonders aus der Solinger Szene sind laut Sukhni die radikalsten dschihadistischen Salafisten hervor gegangen. Fast alle gingen nach Syrien, um dort für den IS zu kämpfen und kamen dabei um.

Konkrete Ratschläge und Hinweise für den Unterrichtsalltag
Neben der Information blieb genügend Raum für die Fragen der teilnehmenden Lehrer und Lehrerinnen. Hier konnten Sukhni und Klußmann konkrete Ratschläge und Hinweise geben.

Eine der Fragen lautet z.B.: Wie ist am besten zu verfahren, wenn Schüler Videos von Hinrichtungen zeigen oder alle Mädchen als „Huren“ bezeichnen? In solchen Fällen müssen unbedingt die Eltern benachrichtigt und darüber informiert werden, dass sich die Kinder sogar strafbar machen können. Im Zweifel müssen sogar die Behörden benachrichtigt werden, so Sukhni und Klußmann.

Doch in den vielen anderen Fällen des Schulalltags erwiesen sich, so die Referenten, die Befürchtungen der Lehrer als unbegründet, weil es sich häufig um Missverständnis handelt oder Schüler mit ihrem radikalen Verhalten eigentlich nur um Aufmerksamkeit und Anerkennung buhlen.

Behutsamkeit ist daher besonders gefragt. Öffentliche, vor der Klasse geäußerte Kritik an Schülern könne leicht als Beleidigung aufgefasst werden und zur weiteren Radikalisierung beitragen. Je früher man sich mit den betroffenen Schülern konstruktiv auseinander setzt, desto eher besteht die Chance eine Radikalisierung zu vermeiden.

Die Akademie bietet Vorträge zu Islam und Islamismus an
Falls auch Sie Interesse an einer Fortbildung haben oder Informationen zum Islam und zum Islamismus suchen, dann freuen wir uns, wenn Sie Kontakt mit uns aufnehmen:

Jörgen Klußmann M.A.
Studienleiter
Tel.: 0228 479898-57
Mail: joergen.klussmann@akademie.ekir.de