Sieg des Fakes

Kommentar von Jörgen Klußmann zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA, 6.11.2024.

Mit dem erneuten Sieg von Donald Trump bei den 47sten US-Präsidentschaftswahlen ist endgültig ein neues Zeitalter angebrochen – das des Fakes und der Desinformation. Der Erfolg des verurteilten Betrügers, Lügners und Demagogen Donald Trump markiert eine endgültige Wende der US-amerikanischen Politik und damit auch der westlichen Welt, in der Wahrheit, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit fürs Erste verloren haben. Die Wahl von Donald Trump und die abzusehende Eroberung der Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat lassen das Schlimmste befürchten. Die innenpolitischen Gegner werden sich auf eine Hexenjagd sondergleichen einstellen müssen, denn der Republikaner hatte schon vor der Wahl angekündigt, dass er seine Feinde verfolgen lassen werde, sollte er das Amt erneut gewinnen. In der Folge werden vermutlich auch alle anhängigen Verfahren gegen ihn sich in Luft auflösen.

Was die erneute Wahl von Trump für die westliche Welt bedeutet, ist dagegen noch nicht abzusehen. Dass er den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden wird, ist zwar nicht zu erwarten, doch für die Ukraine wird es mit größter Wahrscheinlichkeit nun sehr viel schwerer werden, die nötigen Waffen für die Verteidigung gegen Russlands Angriffe zu erhalten. Das transatlantische Verteidigungsbündnis der NATO wird sich neu orientieren müssen, wenn die USA ihre Bündnistreue infrage stellen. Die gesamte bisherige Friedens- und Sicherheitsarchitektur könnte sich endgültig und vollends in Luft auflösen. Die Folgen davon sind nicht absehbar.

Doch die weltweit weitaus größte Herausforderung wird sein, wie in Zukunft, Fake und Desinformation, Lüge und Betrug die Politik bestimmen werden. Gesicherte Erkenntnisse, wissenschaftliche Fakten und Daten und Tatsachen basiertes Wissen haben fortan einen noch schwereren Stand. Willkommen in der schönen, neuen Welt der Manipulation, Illusion und des Fanatismus! Leider ist nicht zu erwarten, dass die Jahre den neuen und alten Präsidenten Donald Trump weiser oder vernünftiger gemacht haben. Im Gegenteil – seine Mär vom gestohlenen Wahlsieg bei der letzten Präsidentschaftswahl erhält nun ungehinderten Auftrieb. Für die US-amerikanische Demokratie aber auch für die Demokratie an sich bedeutet dies eine herbe Niederlage. Macht sie doch deutlich, wie anfällig sie angesichts der geballten Desinformation und Propaganda geworden ist.

Eine wesentliche Rolle spielen dabei die sozialen Verwerfungen in den USA. Trotz guter Wirtschaftsdaten sind die Erfolge von US-Präsident Joe Biden bei vielen Menschen noch nicht angekommen. Die nach wie vor hohe Inflation bedeutet für Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen eine große Bürde. Viele fürchten weitere Einkommensverluste und einen sozialen Abstieg. In einem Land ohne große soziale Netze kann das für viele Generationen das Aus bedeuten. Einfache Botschaften wie „Make America great again!“ und „America first!“ haben bei diesen Menschen offensichtlich verfangen. Weitschweifige Erklärungen über das komplexe Thema Wirtschaft der Demokraten fanden dagegen keinen Anklang.

Entscheidend für den Erfolg Trumps sind dabei die Sozialen Medien und das Internet gewesen, die geholfen haben diese Botschaften zu verbreiten. Mit ihrer Hilfe ist es den Verfechtern der Desinformation gelungen, eine komplett eigene Welt aufzubauen, in der Verunglimpfung anderer Meinungen und Vorstellungen und darüber hinaus sogar die Verfälschung belegbarer Tatsachen an der Tagesordnung sind. In dieser Blase finden sich all diejenigen wieder, die von der bisherigen Politik enttäuscht und aus ihrer Sicht zurückgelassen wurden. Aber auch diejenigen, die insbesondere radikale Lösungen favorisieren und andere für ihre Misere verantwortlich machen, haben durch die neuen Medien nun Oberwasser. Können sie doch auf ihren Kanälen, Websites und Podcasts weiterhin ungestraft die absurdesten Dinge behaupten, wie z.B., dass demokratische Politiker Kinder entführten, um deren Blut zu trinken, um dadurch für immer jung und schön zu bleiben oder dass Migranten die Haustiere von Amerikanern essen würden. Mithilfe der künstlichen Intelligenz wird dieser Trend sich leider weiter fortsetzen, denn nun können Texte, Fotos und sogar Videos noch einfacher gefälscht werden.

Aus christlicher Perspektive ist besonders irritierend, dass sich insbesondere viele konservative Christen mehrheitlich für Donald Trump entschieden haben, obwohl er gegen alle moralischen Prinzipien verstößt, die eigentlich zum Kern eines christlichen Selbstverständnisses gehören. Dazu muss man aber wissen, dass der Einfluss der radikalen konservativen Christen auf die Politik in den USA immer schon groß war und in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen ist und dafür gesorgt hat, dass sich viele Menschen von dem Fortschrittsglauben der Jahre nach dem 2. Weltkrieg inzwischen weit entfernt haben. Stattdessen setzen diese christlichen Bewegungen auf Fundamentalismus und Isolation.

Dass es nun keinen moralischen Kompass, geschweige denn eine arbeitsfähige Opposition mehr gibt, die dem künftigen Präsidenten Einhalt gebieten können, wird dazu führen, dass sich die rechten Kräfte auch in Europa und anderswo ermutigt fühlen, die gleichen Methoden wie er anzuwenden, um endlich die Macht zu erlangen. Für Russland und die gesamte autoritär regierte Welt von China, über Nordkorea bis hin zum Iran ist dies die Bestätigung, dass ihr Kalkül aufgehen kann, die westlichen Demokratien weiter zu destabilisieren. Es ist ein schwarzer Tag für die Freiheit und eine Politik, die auf Vernunft und Wissen basiert.