Tagungsbericht: Afrika – Ein Kontinent bricht auf

Tagung zu Afrikas Weg vom Krisen- zum Chancenkontinent

Am 5. und 6. April 2014 beschäftigte sich eine Tagung an der Evangelischen Akademie im Rheinland  mit den Chancen von Entwicklungszusammenarbeit und wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit Afrika auf seinem Weg vom Krisen- zum Chancenkontinent.

Günter Nooke, Afrika-Beauftragter der Bundeskanzlerin im BMZ

Die neuen Leitlinien der Afrika-Politik der Bundesregierung seien davon bestimmt, Afrika auf dem Weg vom Krisen- zum Chancenkontinent zu begleiten, unterstrich Günter Nooke , Afrika-Beauftragter der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), am Wochenende auf einer Tagung an der Evangelischen Akademie im Rheinland, die die wachsende wirtschaftliche Bedeutung Afrikas in den Blick nahm. Von Seiten Deutschlands seien dabei „mehr Demut, mehr echtes Interesse und weniger Paternalismus“ notwendig, denn es sei auch im deutschen Interesse, dass es Afrika gut gehe.

Bundesregierung tritt ein für eine Partnerschaft auf Augenhöhe
mit dem europäischen Nachbarkontinent
Das BMZ hat Afrika zum Schwerpunktkontinent seines entwicklungspolitischen Engagements erklärt: In 32 von 54 afrikanischen Ländern ist das BMZ engagiert. Über 1,2 Milliarden Euro, 50 Prozent der bilateralen Mittel des Bundeshaushalts, fließen derzeit bereits pro Jahr in entwicklungspolitische Programme mit Afrika. Eine Aufstockung um mindestens 100 Millionen Euro ist geplant. Dabei gehe es Deutschland um eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit dem europäischen Nachbarkontinent, so Nooke. Die Afrikanische Union und die afrikanischen Staaten müssten in die Lage versetzt werden, ihre Probleme selbst zu lösen.

Afrika benötigt mehr Aufmerksamkeit der Europäischen Union
Dazu sei ein kohärentes gemeinsames Handeln notwendig, unterstrich der Afrika Beauftragte mit Blick auf den vierten EU-Afrika-Gipfel, der am 2./3. April 2014 in Brüssel stattgefunden hat und über eine bessere politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EU und den afrikanischen Staaten beraten hat. „Unsere deutsche Afrikapolitik muss eine europäische sein“, betonte er. Afrika benötige mehr Aufmerksamkeit der Europäischen Union (EU).

Afrikapolitik: Es ist notwendig, die Verschiedenheit zu akzeptieren und die Zusammenarbeit innovativ zu gestalten
Es gelte, die Realität wahrzunehmen und die afrikanischen Partner weder zu unter- noch zu überfordern. Vielmehr müsse man deren Verschiedenheit akzeptieren und nutzen, denn „Unterschiede erzeugen Potentiale“. Im Blick auf das bisherige deutsche Engagement trat Nooke für Innovationen ein und für eine Afrikapolitik, „die auch mal etwas Anderes als bisher macht“. Denkbar wären z.B. zusätzlich zur Breiten-Förderung ein oder zwei Beispiel-Projekte an wirtschaftlichen Wachstums-Polen in Afrika.

Die Wirtschaft Afrikas bietet derzeit ein heterogenes Bild
Im Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung bietet Afrika aktuell ein sehr heterogenes Bild: Sechs der zehn Staaten mit dem höchsten Wirtschaftswachstum kommen aus Afrika, gleichzeitig befinden sich unter den 30 wirtschaftlich schwächsten Ländern 24 afrikanische Länder. Schätzungen gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in den afrikanischen Staaten allein in diesem Jahr bei durchschnittlich 6 Prozent liegen wird.

„Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik“
Staatlich garantierte Sicherheit des Einzelnen, eine gute wirtschaftliche Entwicklung und die Einhaltung der Menschenrechte seien die fundamentalen Größen für den Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung in einem Land. Afrika sei der Kontinent, wo die Dynamik innerhalb dieser drei Säulen am größten sei – sowohl im Blick auf positive als auch auf negative Veränderungen. Frieden und Sicherheit müssten daher als Schlüsselbereiche gestärkt werden. Deshalb müssten afrikanische Staaten in Umbruchsituationen unterstützt und die Fluchtursachen innerhalb Afrikas selbst bekämpft werden. Die Zivilgesellschaft müsse gestärkt werden und die wirtschaftliche und politische Integration Afrikas müsse vorangetrieben werden, so Nooke, denn „Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik“.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit muss in erster Linie von der Wirtschaft selbst gestaltet werden
Der Afrika-Beauftragte grenzte Entwicklungszusammenarbeit und wirtschaftliche Zusammenarbeit voneinander ab. Wirtschaftliches Engagement liege in erster Linie in der Verantwortung und im Interesse der Wirtschaft selbst, denn es gelte sich rechtzeitig in Afrika in diesem jungen und wachsenden, ressourcenreichen Kontinent wirtschaftlich zu engagieren. Hier können das BMZ nur unterstützend tätig werden, so  z.B. über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Bundesunternehmen. Die GIZ sei Anlaufstelle für nachhaltige Wirtschaftsförderung. Aber in erster Linie müssten die Unternehmen bereit sein, sich „auf Afrika einzulassen“. Vielfache träfen die deutschen Unternehmen auf ganz andere Rahmenbedingungen als im deutschen oder anderen Märkten.

Politikwissenschaftler Dr. Etiènne Fopas: Privatwirtschaftlicher Initiative bewirkt große Fortschritte für den Alltag der Menschen
Dass nichtsdestotrotz private unternehmerische Initiativen die meisten Chancen für die afrikanischen Länder beinhalten, unterstrichen zwei weitere Referenten der Tagung. Der deutsch-kamerunische Politik- und Kommunikationswissenschaftler Dr. Etiènne Fopas von der Städtischen Universität Ayounde/Kamerun, zog zugleich eine negative Bilanz mit Blick auf die bisherige Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika. Letztlich hätten die in diesem Rahmen geflossenen großen Geldsummen nur die Regierungen, nicht aber „den kleinen Mann“ begünstigt. De vierte EU-Afrika-Gipfel, der in dieser Woche stattgefunden hat, markiere für ihn das endgültige Ende des postkolonialen Zeitalters. Die Hoffnung der Afrikaner ruhe nun auf Handel und privater Wirtschaft. Unternehmerische Initiativen hätten bereits große Fortschritte bewirkt. Als Beispiele verwies Fopas dabei auf die Branchen Telekommunikation und Transport, die ausschließlich durch die Privatwirtschaft ausgebaut worden seien.

Finanzanalyst Amine El Ayoubi: Die Demokratisierung im Kongo hat sich parallel zu den wirtschaftlichen Fortschritten eingestellt
Der Finanzanalyst Amine El Ayoubi , Projektmanager an der Frankfurt School of Finance and Management, bekräftigte Fopas in dessen Einschätzung. Der gebürtige Marokkaner arbeitet heute als Berater in der Demokratischen Republik Kongo. Seit Ende des Bürgerkriegs 2002 wären die privatwirtschaftlichen Initiativen in diesem afrikanischen Land stetig gewachsen. Der wirtschaftliche Aufschwung habe zugleich Einfluss genommen auf politische Situation. Die Demokratisierung habe sich parallel zu den wirtschaftlichen Fortschritten eingestellt.

Politikwissenschaftler Dr. Axel Berger:
Chinas Engagement ist grundsätzlich positiv zu bewerten

Der Politikwissenschaftler Dr. Axel Berger vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, Bonn, vertrat im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika darauf hin, dass Chinas Engagement trotz einiger berechtigter Kritikpunkte grundsätzlich positiv zu bewerten sei. Es trage dazu bei, dass die Wirtschaft in Afrika vielgestaltiger werde als bisher und der afrikanische Kontinent auch im Westen wieder aus einer positiv gesehen werde. Ein Blick auf die Handels- und Investitionsflüsse zeige zudem, dass Chinas Einfluss in Afrika zwar gestiegen sei, man aber bei Weitem nicht von einer dominanten Rolle sprechen könne.

Studlienleiter Klußmann (Mitte) im Gespräch mit Clement Matweta (l.) und Nyumeli Mwale (r.)

Deutschland und Afrika brauchen neue Formen des unternehmerischen Engagements
Die Notwendigkeit, neue Formen der Zusammenarbeit und des unternehmerischen Engagements zwischen Deutschland und Afrika zu finden, spiegelte sich auch wider in der anschließenden Diskussion mit heute in Deutschland lebenden Afrikanern, die sich in ihrem Heimatkontinent wirtschaftlich engagieren.

Unternehmerin Christine R. Evina:
Deutsches wirtschaftliches Engagement immer noch zögernd

„Ein Deutscher kann Geschäfte in Afrika machen, aber ohne Afrikaner geht es nicht“, unterstrich Diplomingenieurin Christine R. Evina . Man müsse in der Niederlassung vor Ort Afrikaner als Bindeglied zu den einheimischen Arbeitskräften einstellen, so die aus dem zentralafrikanischen Kamerun gebürtige Unternehmerin. Evina führt eine Unternehmensberatung in Düren, die u.a. mittelständische Unternehmen bei wirtschaftlichen Engagements in Afrika berät. Rückblickend hielt sie fest, dass es unter deutschen Unternehmern einen Positionswechsel gegeben habe. „Vor zehn Jahren war es schwer, einen deutschen Mittelständler für ein Investment in Afrika zu interessieren“, so Evina. Inzwischen würden viele Unternehmen in afrikanischen Ländern investieren, doch dieses wirtschaftliche Engagement sei weiterhin nur zögernd und begrenzt. Häufig fehle es zudem an Vertrauen in die ansässige Bevölkerung und man besetze daher die Stellen im Unternehmen mit deutschen statt mit afrikanischen Mitarbeitern.

Unternehmer Nyumeli Mwale:
Man muss vor Ort Partner haben, die sich auskennen

„Man muss vor Ort Partner haben, die sich auskennen“, unterstrich in diesem Zusammenhang Nyumeli Mwale. Nur so könne man wissen, welche Produkte vor Ort gebraucht und nachgefragt werden. Der im südafrikanischen Simbabwe geborene und seit 1997 in Deutschland lebende technische Zeichner arbeitet in einer Dortmunder  Maschinenbaufirma, die sich auf Instandsetzung von Bergbauprodukten spezialisiert hat. 2004 hat er in seinem Heimatland trotz der wirtschaftlich und politisch schwierigen Rahmenbedingungen zusammen mit seinem Bruder die Firma Nyman Maschinenbau gegründet, die in dem an Mineralien reichen Land für den Bergbau benötigte Maschinen instand hält und repariert. Heute bezieht die Firma mit zehn festen Mitarbeitern und sechs Zeitarbeitern notwendige Ersatzteile nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Polen, Spanien oder Italien.

Insbesondere Kapitalbeschaffung und Transportmöglichkeiten sind Stolpersteine für Mittelständler
Kapitalbeschaffung und Transportmöglichkeiten sahen sowohl Evina als auch Mwale als Schwierigkeiten in der deutsch-afrikanischen wirtschaftlichen Unternehmens-Zusammenarbeit an.

Gelder der Entwicklungshilfe kommen bei klein- und mittelständischen Unternehmen nicht an
„Meine afrikanische Firma mit deutschen Kapital aufzubauen, war unmöglich“, berichtete Mwale. Die Banken hätten ihm dafür keinen Kredit gewährt, so dass er zuletzt einen Privatkredit habe aufnehmen müssen. Auch heute noch würde die Unterstützung durch Banken fehlen. Gewinne müsse er sofort wieder in seine Firma reinvestieren, dadurch könne er aber auch nur begrenzt expandieren. „Die Schritte sind ziemlich klein“, so Mwale. Das Problem des fehlenden unternehmerischen Kapitals teile er mit vielen klein- und mittelständischen Unternehmern in afrikanischen Ländern. Kapital, das die Entwicklungshilfe bereit stelle, käme in den meisten Fällen nicht bei diesen Unternehmern an, sondern würde im Einzugsbereich der jeweiligen Regierung vergeben. Hierbei spiele auch Korruption eine Rolle. Evina lenkte den Blick auf die Bezahlung der Leistungen oder Waren. Im Gegensatz z.B. zu China würden in Deutschland die Bezahlung in Form von Rohstoffen nicht akzeptiert. Dies könne die Zusammenarbeit zwischen afrikanischen Firmen und deutschen Mittelständern unmöglich machen. Denn während global agierende Unternehmen wie z.B. Siemens die Bezahlung mit Rohstoffen durch Zwischenschaltung von Niederlassungen in Drittländern abwickeln könnten, sei dieser Weg deutschen Mittelständlern versperrt.

Unternehmensberater Horst Pabst (links) bei seinem Vortrag

Unternehmensberater Horst Pabst: Transportwege müssen gestärkt werden
Ebenso wie Mwale und Evina mahnte auch Horst Pabst , Inhaber von You Consulting, dem einzigen Beratungsunternehmen im Migrationsbereich in Nordrhein-Westfalen, eine Stärkung der Transportwege zwischen afrikanischen Ländern und Deutschland an. Im Gegensatz zu Frankreich oder Belgien sei das  Spektrum der von deutschen Flughäfen aus direkt angeflogenen Länder und Orte geringer. Die großen Fluglinien böten vor allem Flüge in die Orte an, die Sitz einer Außenhandelskammer oder Touristenzentren sind.  Dies wirke sich negativ auf wirtschaftliche Initiativen aus. So scheitere z.B. bisher die Geschäftsidee eines Dortmunder Migranten, hervorragende afrikanische Kaffees direkt in Deutschland zu vermarkten, an diesen fehlenden oder überteuerten Transportmöglichkeiten.

„Es gibt viele Afrikas. Afrika ist anders“
Akademie wird auch zukünftig die Entwicklung des Kontinents mit Themenangeboten begleiten
„Es gibt viele Afrikas. Afrika ist anders“. Diese Feststellung des Afrika-Beauftragten Günter Nooke wurde im Verlauf der Akademie-Tagung „Neues aus Afrika- Ein Kontinent bricht auf ins 21. Jahrhundert“ exemplarisch vor Augen geführt. Studienleiter Jörgen Klußmann will die Entwicklung dieses Kontinents auch in Zukunft mit weiteren thematischen Angeboten begleiten: „Wenn wir uns heute und morgen mit dem Wachstum und der Entwicklung in Afrika befassen, dann aus Respekt und Hochachtung der zahlreichen Opfer der Kriege, die in Afrika in den letzten Jahrzehnten gestorben sind und bis heute auch noch sterben. Sie und besonders die Überlebenden verdienen es, dass man auch über die Zukunft eines Kontinents nachdenkt, der so lange in der Krise war,“ sagte Klußmann auch mit Blick auf den Genozid in Ruanda, der sich am 7. April 2014 zum 20. Male jährt.

Weiterführender Hinweis:
Die Beiträge dieser Tagung werden in der Reihe epd-Dokumentation veröffentlicht.

Ausführliches Tagungsprogramm: Neues aus Afrika – Ein Kontinent bricht auf ins 21. Jahrhundert