Wie stehen die monotheistischen Religionen zu Gewalt als einem berechtigten Mittel in Konflikten?

Untersuchung zu Islam, Christentum, Judentum

Am 13. Februar 2009 präsentierte eine Akademie-Tagung Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Es ist der Frage nachgegangen, wie Gewalt als Mittel in religiösen Konflikten begründet wird.

Blick auf Jerusalem – Heilige Stadt für Juden, Christen und Muslime. Foto: © Posztós János – Fotolia.com

Innerislamische Perspektive im Mittelpunkt der Untersuchung

Dabei stand die innerislamische Perspektive im Mittelpunkt der Untersuchung, die der Religionswissenschaftler Professor Dr. Hans G. Kippenberg vom Max-Weber-Kolleg Erfurt, der Arabist Professor Dr. Tilman Seidensticker vom Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients an der Universität Jena, und Dr. Mariella Ourghi vom Orientalischen Seminar der Universität Freiburg am 13. Februar 2009 in Bonn erstmals der Öffentlichkeit vorstellten.

Untersuchung gehört zum interdisziplinären Verbundprojekt „Mobilisierung von Religion in Europa“

Kippenberg ist einer der beiden Sprecher des an den Universitäten Erfurt und Jena und an der Fachhochschule Jena durchgeführten dreijährigen gemeinsamen interdisziplinären Verbundprojektes „Mobilisierung von Religion in Europa“  das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wurde und im April 2009 abgeschlossen wurde. Es geht von der Beobachtung aus, dass Europa derzeit ein Wiedererstarken der Religionen erlebt und dabei Fragen der religiösen Identität und Abgrenzung eine wesentliche Rolle spielen. Hier setzt das Forschungsvorhaben an. Neben den von Kippenberg betreuten Projekt, das sich mit der Politisierung von Religion zu religiöser Gewalt beschäftigt, gibt es zwei weitere Teilprojekte, die sich den Aspekten Religion und Identität und Institutionalisierung und Repräsentanz von Religion widmen.

Neu ist der Perpektivenwechsel:
statt gegenseitiger Konfrontation zwischen Christen und Muslimen wird der Dialog unter den Muslimen selbst betrachtet

Die Europäische Geschichte hat über Jahrhunderte die gegenseitigen Vorstellungen von Bedrohung zwischen Christen und Muslimen kultiviert. Kippenberg und sein Forscherteam haben statt dieser gegenseitigen Konfrontation und Pauschalisierung die Kontroversen unter den Muslimen selbst über die Berechtigung oder die Verwerflichkeit von Gewalt in den Blick genommen. Dabei sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass für Muslime nicht Gewalt an sich vorbildlich ist, wie oft behauptet wird, sondern nur die Bereitschaft, sich in bestimmten Krisensituationen für das Wohl der islamischen Gemeinschaft notfalls auch mit Mitteln der Gewalt einzusetzen.

Studie hilft, abstoßende Phänomene religiöser Gewalt sachlicher zu betrachten statt sie zu tabuisieren

„Für Phänomene religiöser Gewalt muss man die Augen öffnen und darf sie nicht einfach nur tabuisieren“, so Jörgen Klußmann. Gemeinsam mit Kippenberg hat er die Tagung „Gewaltdiskurse in Islam, Christentum und Judentum“ konzipiert, in deren Rahmen die Dokumentation vorgestellt wurde. Die Tagung wollte einen Beitrag leisten, diese Phänomene sachlicher zu beurteilen und die theologischen Rechtfertigungen von Gewalt wie auch deren Revisionen zu begreifen.

Tagung bot Forum zur Diskussion aus der Sicht aller monotheistischen Religionen

Kippenberg und seinem Forscherteam diente die Tagung als ein Filter – die muslimischen Berichterstatter ebenso wie die jüdischen und christlichen Referenten, Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten Gelegenheit, die Ergebnisse zu spiegeln und zu diskutieren.

Als muslimische Berichterstatter kamen Schech Bashir Dultz, Mitbegründer des Zentralrats der Muslime, und Murad Wilfried Hoffmann. Hoffmann war zuletzt deutscher Botschafter in Marokko. Er ist wie Dultz Mitglied des Zentralrats der Muslime.

Gewalt und Religion: Beiträge aus christlicher und jüdischer Sicht

Um zu begreifen, dass religiöse Gewalt nicht nur ein Problem des Islams ist, wurden ähnliche Kontroversen im Judentum und Christentum einbezogen.

Religiöse Zionisten haben den Sechstage-Krieg von 1967 als Krieg der Erlösung gedeutet und Gewalt gegen Palästinenser gerechtfertigt. Doch erhoben sich unter ihnen auch Stimmen, die Zweifel an dem Vorrang der Besiedlung biblischen Landes vor einem Frieden mit den Palästinensern äußerten. Ebenfalls behandelt werden der Typus der christlichen Kriegspredigt und der Fall der süd-afrikanischen Christen, die ihre theologische Begründung der Apartheid revidierten und damit zur Versöhnung von Weißen und Schwarzen beitrugen.

Die Beiträge zum Verhältnis von Gewalt und Religion im Christentum und Judentum kamen von

  • Professor Dr. Benedikt Kranemann, Katholisch-Theologische Fakultät, Universität Erfurt:
    Gewalt und Liturgie
  • Dr. Helga Dickow, Arnold-Bergstraesser-Institut, Freiburg
    Christen für und gegen Apartheid.
    Südafrika vor der Wende 1990
  • Dr. Claudia Baumgart-Ochse, Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung
    Pioniere Gottes.
    Gewaltdiskurse im religiösen Zionismus  
  • Meron Mendel, Historiker
    Besetzte Gebiete oder Land Israel? 

Einen ausführlichen Tagungsbericht von Tagungsteilnehmern wurde auf der Internet-Plattform migrapolis veröffentlicht.

Wie stehen die monotheistischen Religionen zu Gewalt als einem berechtigten Mittel in Konflikten?