Zeigt, dass ihr dagegen seid!

Standpunkt von Jörgen Klußmann

Zum Krieg in der Ukraine und dem Konflikt zwischen Russland und dem Westen

Das, wovor bereits seit Wochen die US-amerikanischen Geheimdienste gewarnt haben, ist eingetreten: Der Präsident der russischen Union, Vladimir Putin, hat seiner Armee die Invasion der Ukraine befohlen. Seit einer Woche herrscht Krieg. Wie lange wird er dauern? Das hat, so allem Anschein nach, allein der russische Präsident in der Hand.

Doch stimmt das wirklich?

Keineswegs, denn in Russland haben viele Menschen Einfluss!

Wenn sie ihr an ihr Staatsoberhaupt appellierten und ihn überzeugten oder ihn sogar absetzten, dann könnte oder würde auch er nicht mehr den Befehl zum Schießen und Morden geben. Ob der derzeitige russische Präsident sich selbst noch einsichtig zeigt, bleibt dahingestellt. Das hat er tatsächlich nur selbst in der Hand. Doch es sieht nicht danach aus.

Wenn er nicht mehr in der Lage wäre zu entscheiden, weil er abgesetzt wäre, bleibt die Frage: Was und wer käme dann? Hoffentlich jemand, der den bisherigen Größenwahn eines Vladimir Putin und dessen williger Helfer beenden kann und dann sehen wir weiter.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat die internationale Gemeinschaft mit dem Beschluss der UNO-Vollversammlung und den weltweiten Sanktionen und Boykotten, die Russland und vor allem auch die Russinnen und Russen selbst immer mehr und härter treffen, alles getan, um dem Alleinherrscher Putin die Grenzen aufzuzeigen.

Nun ist es an der Zeit, dass die Russinnen und Russen ihren Willen deutlich machen.

Viele tausende Menschen haben das bereits in Russland getan und dafür gebührt ihnen höchster Respekt, denn es ist gefährlich, sich gegen die „Staatsmacht“ zu stellen. Doch es müssen noch mehr Menschen vor allem in Russland selbst werden. Sozialer Widerstand muss in Russland, das hier als Aggressor auftritt, beginnen!

Zeigt, dass ihr dagegen seid!

Wir müssen die Menschen und die Soldaten Russlands dazu aufrufen:

„Geht nach Hause und wendet euch an eure Vorgesetzten und euren Präsidenten und appelliert an ihre Menschenwürde, an ihr Mitgefühl, an ihr (meist christliches) Gewissen, „Du sollst nicht töten!“ – und an sie als Väter, Brüder, Söhne, vor allem aber auch Mütter und Schwestern, das unwürdige Geschehen zu beenden und zwar sofort!“

Allen muss klar sein: Diesmal geht es nicht allein um Russland, Europa oder den Westen. Es geht nicht darum jemanden zu demütigen oder dessen Rechte klein zu reden!

Diesmal geht es um die ganze Welt. Denn offensichtlich ist der russische Präsident bereit, für seine Vision eines geeinten russischen Großreichs auch Nuklearwaffen einzusetzen. Dass dies keine leere Drohung ist, sollte uns allen schnellstens klar werden und nun auch allen Russinnen und Russen.

Es gibt die reale Gefahr eines dritten Weltkrieges! Dass dies eine für viele und auch für mich unfassbare Nachricht ist, darf uns gerade jetzt nicht auch noch fassungslos machen und vor Furcht erstarren lassen.

Ich will hier keine Panik schüren, denn im Gegenteil: Jetzt heißt es rational, klar und vor allem transparent handeln und den Draht zu Putin auch nicht vollständig abrechen zu lassen.

Der französische Präsident  Emmanuel Macron hat dies auf Bitten des ukrainischen Präsidenten Selensky getan und dafür gebührt ihm Respekt, denn er ist dafür von vielen Seiten gerügt worden. Der Kommunikationsfaden zu Putin darf nicht vollkommen abreißen, denn wir müssen wissen, was seine nächsten Schritte sind. Putin muss sich erklären.

Seine Forderungen, die er gestellt hat,
– die Entnazifizierung der Ukraine
– die De-Militarisierung der Ukraine
– die Anerkennung der Annektierung der Krim
– die Zusicherung, dass die NATO sich nicht weiter nach Osten ausbreitet,
können so offensichtlich nicht erfüllt werden.

Sicherlich gibt es auch in der Ukraine Nazis, aber nicht in der gewählten Regierung von Präsident Selensky, der selbst Jude ist.

Eine De-Militarisierung der Ukraine ist selbst nach Ende des Krieges höchst unwahrscheinlich, wenn nicht gleichzeitig in der gesamten Region großflächig abgerüstet und entmilitarisiert würde. Eine Entmilitarisierung der Ukraine allein könnte auch nicht ohne den freien Willen des souveränen ukrainischen Volkes zustande kommen. Auch über die Anerkennung der Annexion der Krim müsste das ukrainische Volk – und nicht nur die Bevölkerung der Krim selbst entscheiden. Ebenso wie die anderen Völker Osteuropas selbst entscheiden müssen und ja auch zum größten Teil bereits selbst entschieden haben, dass sie Mitglied der NATO und/ oder der europäischen Union sein wollen.

Da nützt es nichts auf die Versprechungen westlicher Staatmänner wir George Bush Senior,  Margaret Thatcher, Francois Mitterand oder Helmut Kohl zu verweisen, dass es nach dem Zerfall der Sowjetunion keine NATO-Osterweiterung geben würde.

Zunächst geht es darum, dass die Waffen schweigen und dass kann nur geschehen, wenn der Aggressor dies befiehlt und das ist Präsident Putin und seine Armee. Solange dies nicht geschieht, hat der Angegriffene, in dem Fall die Ukraine, das volle Recht auf Selbstverteidigung!

Und ich finde es bis dahin auch richtig, neben humanitären Gütern auch Verteidigungswaffen in die Ukraine zu entsenden, wenn wir als demokratischer Rechtsstaat sicherstellen wollen, dass auch das ukrainische Volk in Zukunft weiterhin das Recht auf souveräne Selbstbestimmung haben sollen. Hier geht es fein zu unterscheiden und genau zu formulieren, wo das Recht beginnt und wo es endet. Was wir aber erleben ist eine eklatante Verletzung des Völkerrechts durch den russischen Staat.

Natürlich müssen wir an dieser Stelle zugeben, dass die NATO und Westen in der Vergangenheit auch nicht zimperlich waren, sich außerhalb des Völkerrechts zu stellen, als sie sich entschieden im Kosovokrieg zugunsten der Albaner einzugreifen und Ziele in Belgrad anzugreifen. Ich war damals kurz danach in der serbischen Hauptstadt gewesen und konnte die Schäden sehen, die die Angriffe angerichtet hatten und bei dem auch Zivilisten umgekommen waren. Wenn es also eine Schuld des Westens gibt, dann diese.

Doch was heute passiert ist weit mehr als das, was damals geschah, denn jetzt erleben wir einen Angriffskrieg. Deshalb nochmals an alle Russinnen und Russen der Appell, zeigt, dass ihr dagegen seid!

Und an uns der Appell, tun wir, was wir können, um die Situation zu de-eskalieren, helfen wir den Menschen, die Hilfe brauchen, wenn wir selbst dazu nicht in der Lage sind, spenden wir! Bleiben wir  nicht untätig und sprechen wir miteinander über unsere Ängste und Sorgen und suchen Rat bei Menschen, die mehr wissen und mehr Erfahrung haben!

Jörgen Klußmann