Hoffnung in Zeiten des kollektiven Wahnsinns

9.11.2020

joergenklussmann

Ein Denkanstoß von Studienleiter Jörgen Erik Klußmann Zum Ende des 20. Jahrhunderts gab es bei vielen Menschen die Hoffnung, dass mit dem Ende des Kalten Krieges ...

Ein Denkanstoß von Studienleiter Jörgen Erik Klußmann

Zum Ende des 20. Jahrhunderts gab es bei vielen Menschen die Hoffnung, dass mit dem Ende des Kalten Krieges nun endlich auch Frieden auf Erden herrschen würde. Im Nachhinein mag diese Hoffnung heute als naiv erscheinen.

Doch hierzulande und in ganz Europa dachten die Menschen wirklich und wahrhaftig, dass die atomare Bedrohung mit den Abrüstungsverträgen zwischen der Sowjetunion und den USA kontrollierbar wäre. Dabei waren damals bereits China, Indien und Pakistan Atommächte und die Ausblendung dieser Tatsache im Westen zeigt die Borniertheit desselben. Vielleicht erschien die Welt deswegen damals auch geordneter, weil wir vieles damals einfach noch nicht wussten oder wissen wollten.

Inzwischen sind die Abrüstungsverträge von damals ausgelaufen, ohne dass sie verlängert wurden. Im Nahen und Mittleren Osten haben die Interventionspolitik der USA und ihrer Verbündeten ein Chaos hinterlassen, das nicht nur al Kayda und den so genannten Islamischen Staat, sondern vor allem einen unbändigen Hass auf den Westen, die Demokratie und deren Werte hervorgebracht haben. Spätestens mit den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem folgenden Krieg gegen den Terror haben sich die Hoffnungen auf eine friedlichere Welt nachhaltig zerschlagen. Und nicht nur das – in der westlichen Welt haben nationalistische und rechtsextreme Kräfte aus den Gegenreaktionen der islamischen Welt in Form von Anschlägen und einer großen Zahl von Flüchtlingen, die nach Europa streben, Kapital schlagen können.

Das Friedensprojekt Europa hat durch von Propagandisten gesteuerte Kampagnen, die nachweislich Falschinformationen verbreiteten, massive Rückschläge erlitten. Die einstige Vorzeige-Demokratie Großbritannien ist aus der EU ausgetreten, in Italien, Österreich, Polen, der Slovakei und Ungarn waren oder sind rechte Parteien an der Macht, die die Rechtsstaatlichkeit aushebeln oder gar abschaffen wollen.

In den USA haben die Unsicherheit und die Angst vor einem Bedeutungsverlust und einem wirtschaftlichen Niedergang insbesondere weiße Wähler dazu gebracht, einen narzisstischen, irrationalen und rassistischen Mann zum Präsidenten zu wählen, der mit allen Mitteln versucht an der Macht zu bleiben.

In außereuropäischen Ländern wie der Türkei, Russland oder Israel, die eine Zeitlang mal als Hoffnungsträger eines neuen demokratischen Aufbruchs galten, haben sich ebenfalls nationalistische Kräfte durchgesetzt, die auf völkerrechtliche Vereinbarungen pfeifen und notfalls rücksichtslos auch gegen die eigenen Bevölkerung vorgehen.

Ebenfalls von Menschen gemacht, wenn auch nicht absichtlich herbeigeführt, haben wir es zusätzlich noch mit globalen Krisen wie der aktuellen Corona-Pandemie und dem Klimawandel zu tun, die alle bisherigen Dimensionen zu sprengen drohen.

Wo bleibt da also die Hoffnung?

Angesichts der Unfähigkeit und des Unwillens der Mächtigen in dieser Welt, gemeinsam an den Problemen zu arbeiten und nach Lösungen zu suchen, scheint jegliche Vernunft im Hinblick auf die Notwendigkeit einer  globalen Zusammenarbeit verloren gegangen zu sein.

Das Internet lässt uns an all dem teilhaben und zeigt uns ungeschönt Bilder der Zerstörung, Not, aber auch der Dekadenz und des Wahnsinns. Es bietet einer wachsenden Zahl von Fanatikern, Verschwörungsmystikern und Demagogen den Raum für Falschinformationen und öffnet der Propaganda und Demagogie damit Tür und Tor und verunsichert Milliarden von Menschen.

Welche Hoffnung haben wir also angesichts dieses kollektiven Wahnsinns noch?

Die Hoffnung, dass sich letztlich wieder der gesunde Menschenverstand und eine universelle Ethik wie die der Menschenrechte durchsetzen werden! Die Hoffnung, dass die Vernunft, basierend auf Einsicht, auf Fakten und sorgfältiger wissenschaftlicher Analyse sich etabliert! Die Hoffnung, dass wir begreifen, dass wir nur mit der Natur leben können, aber nicht ohne sie. Die Hoffnung, dass wir verstehen, dass wir alle im selben Boot sitzen und nur gemeinsam eine Lösung finden können. Die Hoffnung, dass wir erkennen, dass wir alle nur Menschen sind und deswegen keiner mehr Rechte als der andere hat. Und schließlich, die Hoffnung, dass Gott uns helfen möge, den Glauben an das Gute, Schöne und Ehrenhafte wieder zu finden, der uns veranlasst andere so zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen, einschließlich unseres Planeten und all des Lebens, das auf ihm existiert.

Auch wenn ich zwischenzeitlich manchmal daran zweifele, dass uns dies rechtzeitig gelingt, um weitere Eskalationen und Schäden abzuwenden, so bin ich doch davon überzeugt, dass wir als Menschheit die Notwendigkeiten erkennen und, was noch wichtiger ist, auch danach handeln werden. Wir brauchen eben manchmal Zeit, um zu verstehen und meistens ist es doch leider so, dass wir erst die Wahrheit erkennen, wenn das Kind fast schon in den Brunnen gefallen ist.

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