Sicherheitsdenken muss sich in Friedensdenken wandeln

1.9.2014

joergenklussmann

Zum Antikriegstag/Weltfriedenstag am 1. September 2014 Am 1. September 1914 begann mit dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg. Der Antikriegstag/Weltfriedenstag 2104 erinnerte 75 ...

Zum Antikriegstag/Weltfriedenstag am 1. September 2014

Am 1. September 1914 begann mit dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg. Der Antikriegstag/Weltfriedenstag 2104 erinnerte 75 Jahre später daran und mahnt „Nie wieder Krieg“. – Ein Kommentar zum Gedenktag am 1. September von Jörgen Klußmann

Aktuelle Bilanz: Beunruhigung statt Erwarnung
Zum diesjährigen „Antikriegstag/ Weltfriedenstag“ am 1. September kann man wahrlich keine Entwarnung geben. Stattdessen beunruhigen uns derzeit ein Bürgerkrieg in der Mitte Europas, der mehr und mehr zu einem Konflikt zwischen zwei Staaten zu eskalieren droht; ein Bürgerkrieg in Syrien, der mittlerweile auch den Irak erreicht hat und uns durch unbeschreibliche Grausamkeiten erschüttert; eine nicht enden wollende bewaffnete Auseinandersetzung zwischen dem Staat Israel und der radikal islamistischen Hamas in Palästina sowie unzählige Konflikte in Afrika, Asien und Lateinamerika, von denen wir bereits einige gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

Die „neuen“ Kriege sind asymmetrisch
Frieden sieht anders aus und fühlt sich anders an. Und dennoch – wenn wir uns erinnern, dann war das 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen das mit Abstand blutigste Kapitel der Menschheit. Seitdem ist die Zahl der zwischenstaatlichen Konflikte auf nahezu Null gesunken. Die „neuen Kriege“ wie sie der Konfliktforscher Herfried Münkler bezeichnet hat, sind anders: asymmetrisch, hier kämpfen ungleiche Gegner gegeneinander, aus Mangel an Waffen oder Soldaten häufig auch mit Mitteln des Terrors.

Die Frage ist aber, ob dies eigentlich noch Kriege sind oder vielmehr das Werk von organisierten Kriminellen und Warlords, die sich als Freiheitskämpfer stilisieren und letztlich nur eigenen Interessen folgen. Analysten haben zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass viele dieser asymmetrischen Kriege durch Polizeiarbeit und Gegenspionage vermutlich besser entschärft werden könnten.

Doch zu keinem anderen historischen Zeitpunkt hat es so viele Möglichkeiten gegeben,
Krisen gewaltlos zu lösen

Keine Frage, die Welt ist in großen Teilen ungerecht, Ausbeutung und maximale Profitsucht erschweren den Wandel zum Besseren. Doch auf der anderen Seite hat es zu keinem anderen historischen Zeitpunkt so viele Möglichkeiten gegeben, Krisen gewaltlos zu lösen. Der amerikanische Psychologe Steven Pinker ist sogar der Ansicht, dass die Welt heute so friedlich ist wie nie zuvor. In seiner umfassenden Studie über die Gewalt macht er deutlich, dass frühere Generationen unter einem unvorstellbaren Ausmaß an alltäglicher Gewalt gelitten haben. Und in der Tat ist das Ausmaß der Gewalt, das in der Vergangenheit durch den Mangel an politischer Aufklärung und Kontrolle, durch fehlende Kommunikation und schließlich auch durch Verteilungskämpfe herrschte, heute vergleichsweise geringer. Pinker hat dies historisch, aber auch humanpsychlogisch eindrucksvoll nachgewiesen.

Das bisherige Sicherheitsdenken muss sich in ein Friedensdenken wandeln
Für die von Gewalt Betroffenen ändert diese Analyse jedoch wenig. Doch die Veränderungen zeigen auf, dass sich etwas zum Besseren drehen kann, wenn der Wille da ist und die Einsicht vorhanden ist, dass es besser ist, Konflikten vorzubeugen als abzuwarten, bis sie ausbrechen. Für eine wirklich umfassende Änderung wäre es aber nötig, dass sich das bisherige Sicherheitsdenken in ein Friedensdenken wandelt. Hier haben die Kirchen in den letzten Jahren durch ihr Eintreten für einen gerechten Frieden, der das Dogma vom gerechten Krieg ad absurdum führt, eine Menge geleistet. Sie plädieren für einen Frieden, der mehr will als die Ablehnung physischer Gewalt, nämlich die Beseitigung von deren Ursachen, von systembedingten Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen. Doch bis sich ein solcher Ansatz auch in der Politik durchsetzt, ist es noch ein weiter Weg – es bleibt also noch viel zu tun in Sachen Überzeugungsarbeit, politischer Bildung, Aufklärung und der Gewährung von politischen Rechten.

Jörgen Klußmann M.A.
Studienleiter an der Evangelischen Akademie im Rheinland
Zu seinen Themenschwerpunkten gehören die Bereiche Friedenspolitik und Konfliktbearbeitung.

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