Zur Explosion in Beirut

13.8.2020

joergenklussmann

Blogbeitrag von Studienleiter Jörgen Klußmann Die Explosion vor ein paar Tagen im Beiruter Hafen ist ein schreckliches Unglück, das ein ohnehin schon schwer gebeuteltes Land getroffen ...

Blogbeitrag von Studienleiter Jörgen Klußmann

Die Explosion vor ein paar Tagen im Beiruter Hafen ist ein schreckliches Unglück, das ein ohnehin schon schwer gebeuteltes Land getroffen hat. Einst war der Libanon ein blühendes Land – man sprach vom Paris des Ostens, wo sich in mondänen Cafés an der Uferpromenade in Beirut elegante Menschen aus aller Welt trafen.

Trotz aller konfessionellen Unterschiede herrschte Frieden im Land, der jedoch durch die Spannungen zwischen arabischen Nationalisten und westlich orientierten Christen immer in Gefahr war. Mit der Ankunft der palästinensischen Befreiungsbewegung PLO im Lande als Folge von deren Vertreibung aus Jordanien, geriet das fragile Gleichgewicht jedoch ins Wanken. Darauf folgte ein Bürgerkrieg (1975-1990) mit wechselnden Allianzen zwischen christlich-maronitischen, schiitischen, sunnitischen Milizen und der PLO und verwüstete das Land vollständig und tötete rund 100.000 Menschen. Im Verlauf des Krieges kam es zu mehreren Interventionen Israels und Syriens. Mehrere Massaker an der Zivilbevölkerung wurden durch Milizen der Bürgerkriegsparteien verübt und führten zu weiteren Eskalationen. Verheerende Anschläge ließen multilaterale Versuche, den Bürgerkrieg zu beenden, scheitern. Erst durch die Vermittlung der Arabischen Liga konnte 1990 ein Friedensabkommen erzielt werden. Doch im Süden des Landes, wo sich die Hisbollah festgesetzt hatte, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Israel. Hinzu kam, dass das politische System, das aus dem Friedensschluss hervorging, besonders anfällig für Korruption war. Es erwies sich als zu schwach und durch Partikularinteressen zerrüttet, um dem libanesischen Volk zu einem Wiederaufbau zu verhelfen.

Die unkontrollierte Lagerung der gefährlichen Chemikalie Ammoniumnitrat, welche nun mutmaßlich die gewaltige Explosion im Hafen von Beirut ausgelöst hat, ist Sinnbild für ein marodes und korruptes System, in dem sich wenige bereicherten und die Masse der Bevölkerung immer weiter verarmte. Doch diese hat genug von den Politikern. Bereits seit Monaten gibt es in dem Land am Mittelmeer immer wieder Proteste gegen die Korruption und Misswirtschaft. Dass nun die Regierung unter dem Eindruck der Explosion zurückgetreten ist, ändert überhaupt nichts an den Verhältnissen, sondern zeigt nur die Rat- und Tatlosigkeit der politischen Klasse im Libanon. Eine neue Regierung zu bilden, die dem geschundenen Land eine neue Perspektive und endlich Frieden bringen müsste, wird nicht leicht sein. Die Angst vor dem berechtigten Volkszorn ist groß und der politische Wille, gemeinsam über alle religiösen Grenzen hinweg zu kooperieren, gering. Stattdessen bringen die Mächtigen lieber ihre Pfründe in Sicherheit. Reformen, wie sie der französische Präsident Macron fordert, der das Land kurz nach dem Unglück besuchte, werden sich nur sehr mühsam und mit Hilfe von Unterstützung von außen durchsetzen lassen. Doch hier wird es darauf ankommen, dass es nicht wie in der Vergangenheit dazu kommt, dass die ausländischen Interventionen eigenen Partikularinteressen folgen und das Land weiter destabilisieren. Eine multilaterale Lösung ist angesichts Corona und dem Unwillen der Europäer und Amerikaner sich erneut einzumischen, jedoch in weiter Ferne. Dem Libanon stehen schwere Zeiten bevor – noch schwerer als sie ohnehin schon waren.

 

Bildnachweis:
Freimut Bahlo – Wikipedia Commons. CCBY-SA 4.0
File: Aftermath of the 2020 Beirut explosions august 6 2020 09.jpg
Erstellt: 5. August 2020

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