Reden über das Töten

epd-Landesdienst West, 6.2.2013

Studientag bringt Friedensaktivisten und Soldaten einander näher. – Von Karsten Packeiser

Koblenz (epd). Egal, ob Afghanistan oder Kriegsdienstverweigerung: Frie- densbewegung, Kirchen und Bundeswehr liegen oft über Kreuz. Angesichts der tiefen Differenzen  verlaufen  die friedensethischen  Studientage  in Ko- blenz erstaunlich konstruktiv. Das Publikum könnte gemischter nicht sein: Schülergruppen, rauschebärtige Aktivisten diverser Friedensorganisationen und dazwischen Offiziere in Uniform füllen das holzgetäfelte Baudissin-Forum, den Vortragssaal des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz.

Zwischen Deutschland-, EU- und Nato-Flagge und den Schwarzweiß-Porträts verdienter Militärs ruft Wolfgang Buff, Referent für Friedensbildung der hessen-nassauischen Landeskirche, die Streitkräfte süffisant auf, sich stärker auf ihre eigenen Traditionen zu berufen. „Es gab Zeiten, da war es für die Bundeswehr klar, dass man nicht kämpfen wollte.“

In der Ära des Kalten Krieges entging die in Ost und West geteilte Welt glücklicherweise einer atomaren Katastrophe. Seit die Bundeswehr aktiv an Auslandseinsätzen wie im Kosovokrieg oder in Afghanistan teilnimmt, stehen die Streitkräfte unter ganz neuen Vorzeichen in der öffentlichen Debatte – und mit ihnen die Frage, unter welchen Bedingungen eine Demokratie ihre Soldaten in den Kampf schicken darf. Bereits zum sechsten Mal hat die Evangelische Akademie im Rheinland einen friedensethischen Studientag veranstaltet und Menschen zusammengebracht, die häufiger übereinander als miteinander reden.

Hoch oberhalb des Rheins verläuft der Dialog zwischen Uniformträgern, Kirchen und Friedensbewegung erstaunlich konstruktiv. Das friedensethische Forum steht allen Interessierten offen. Bundeswehrangehörige können sich für eine Teilnahme vom Dienst befreien lassen. „Die Armee hat sich fantastisch geöffnet“, sagt ein älterer General im Ruhestand. „Auch intellektuell und politisch.“

„Einen Menschen zu töten, macht in jedem Fall schuldig, es kann aber auch schuldig machen, nicht zu töten“, sagt Militärbischof Dutzmann, einer der Gastredner des Studientags. Wer das Töten im Krieg in jedem Fall konsequent verurteile, müsse auch jeden Schwangerschaftsabbruch in jeder nur denkbaren Situation verdammen. Bedingungsloser Pazifismus ist das nicht, und manchen Teilnehmern verläuft das ganze Treffen allzu harmonisch. Man müsse das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ ernst nehmen und dürfe es nicht als freundliche Empfehlung abtun, fordert ein Herr, auf dessen Pullover das Wort „gewaltlos“ in Deutsch, Englisch und Französisch prangt.

Auf dem Podium sitzt auch Dennis Liebenthal, ein Jugendoffizier der Bundeswehr. Seine Entscheidung, Soldat zu werden, begründet er unter anderem mit dem Völkermord in Ruanda, gegen den niemand eingeschritten sei. Die Aktivitäten der Jugendoffiziere an Schulen – wie etwa das sicherheitspolitische Planspiel „POL&IS“ – sind vielen Friedensaktivisten ein Dorn im Auge. „Wir versuchen Dinge, die kontrovers sind, auch kontrovers zu diskutieren“, sagt Liebenthal und versichert, selbst bei dem Planspiel komme der Krieg „nur sehr selten vor“. Kritik an den Schulaktivitäten gibt es trotzdem, aber sie kommt ohne Verurteilungen und Übereifer daher.

Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms spricht offen aus, was für die meisten Kirchenleute im Saal gelten dürfte. Ja, auch er habe Berührungsängste gegenüber der Bundeswehr. Daher sei es gut, ins Gespräch zu kommen.

Dennoch, verspricht er, wolle er Bundeswehr und Sicherheitspolitik auch künftig kritisch begleiten: „Bestimmte Verdachtsmomente will ich mir auch durch Harmonie nicht abgewöhnen lassen.“ So lehnt er Militäreinsätze gegen Terroristen ab: „Terrorismus ist ein Verbrechen und kein Anlass zum Krieg.“ Die  Weltgemeinschaft  müsse  auf  die  terroristische  Bedrohung  eher  mit einer internationalen Polizei reagieren, fordert Brahms. Deren Aufbau werde aber bislang eher behindert als gefördert. www.ekd.de; www.ev-akademie- rheinland.de; www.innerefuehrung.bundeswehr.de

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) West, 6.2.2013

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des epd-West